Die
Story von einem besonderen Stein
erlebt und aufgeschrieben von Hans-Georg Ziburski - Bremen
Ein Stein
in Zusammenhang mit Familienforschung - dann kann es sich
doch nur um einen Grabstein handeln, sollte man meinen. Doch
weit gefehlt! Unser Stein ist zwar auch von einem Steinmetzen
bearbeitet, oder richtiger gesagt, geschaffen worden und diente
zunächst ganz profan in einem vornehmen Haus als Inneneinrichtung
und danach in einem Garten als Zierrat bis – ja, bis
uns eines schönen Tages eine liebe Freundin mit dieser
Überraschung besuchte: Ihre etwa 150 m von uns entfernt
wohnenden Schwiegersohn und Tochter hätten einen Stein
im Garten, der ihnen nicht mehr gefiele und möglichst
bald entfernt würde. „Ich sei doch in Steine vernarrt“.
Christa hatte recht, und ich schob ohne Aufschub mit der Schubkarre
zum Tatort.
Das spielte
sich etwa 1975 ab. Seit dem steht der Stein auf unserer Terrasse
und ist ein interessanter Hingucker für uns selbst und
unsere Besucher. Damit wird es Zeit, das seltene Stück
zu beschreiben: Der Steinblock besteht aus hellem bayerischen
Sandstein in den Abmessungen 140x70x20 cm. Er zeigt beidseitig
durchgehend dieselbe künstlerische Ausformung (s. Foto).
Aber nun auch zu seiner Herkunft: Er fand gemeinsam mit zahlreich
Steinmetz-Arbeiten seinen Platz im äußerst aufwendigen
und pompösem Treppenhaus des Verwaltungsgebäudes
des Norddeutschen Lloyd in Bremen. Geplant und gestaltet
vom damals schon berühmten Senats- und (Star)-Architekten
Johann
Georg Poppe aus Bremen (1837-1915). Der Bau dauerte von
1901-1910. Schon 1968 musste das Gebäude einem Neubau
des Kaufhauses Horten weichen. Nur wenige, zum Teil auch ramponierte,
Relikte wurden von aufmerksamen Arbeitern gerettet. Solchem
unbekannten „Wohltäter“ haben wir zu danken,
dass der Schmuckstein auf unserer Terrasse, zu unserer Freude,
sein Hiersein fristet. Aber auch die Nachbarschaft nahm Anteil:
Ein Ehepaar rief mir 1993 über die Straße zu, eine
Zeitung habe über unseren Stein berichtet (s. unten).
So weit, so gut, Thema durch!
Man wird
nun vielleicht sagen, das ist ja ganz nett, den Stein hätte
ich auch genommen, aber ich warte noch auf den Zusammenhang
mit der Familienforschung. Das ist richtig, doch „so
schnell schießen die Preußen nicht“. Inzwischen
gehen noch 20 Jahre ins Land!
Eine
familiäre Entwicklung kann in meiner mütterlichen
Linie Perleberg verzeichnet werden. Da gründen 1995 In
Kassel Volker Jung-Poppe und meine Cousine 2. Grades, Andrea
Perleberg, eine Familie. Meine Großeltern, Friedrich
Perleberg (1863-1945) und Bertha,
geb. Trapp, (1869-1940), sind für deren Kinder, Leonie
und Fynn, Ururgroßeltern. So lieb und schön dieses
Ereignis auch ist – ich erkenne darin keinen familiären
Zusammenhang mit der altehrwürdigen Familie Poppe. Das
änderte sich schlagartig, als ich im Frühjahr 2013
von einem mir bis dahin unbekannten Herren, Donald C. Poppe
aus den USA, eine E-Mail erhielt. Er fragte mich, ob ich an
Lebensdaten der Poppe-Familie interessiert sei. Und ich war
es. Inzwischen hat sich daraus ein (recht einseitiger) E-Mail-Verkehr
entwickelt mit einem Volumen von etwa 150 Datensätzen
(Personen). Einer meiner früheren Kollegen pflegte in
solchem Fall zu sagen: „Da steht der Geist vor Ehrfurcht
still“. Und ich staune: Womit habe ich das wohl verdient?
Da sitze
ich nun am Computer und hänge meinen Gedanken nach. Durchs
Fenster sehe ich auf den Stein, der sich diese Story gefallen
lassen muss. Johann Georg Poppe hat ihn geplant, entworfen
und wahrscheinlich gezeichnet.

